Malteser lassen psychosoziale Maßnahmen während und nach der Flut wissenschaftlich untersuchen

Foto: v.l.n.r.: Malteser Frank C. Waldschmidt (PSU-Fachberater); Dr. Ralf Nolten (CDU-Landtagsabgeordneter); Malteser NRW-Landesgeschäftsführerin Dr. Sophie von Preysing; Prof. Dr. Harald Karutz (MSH Medical School Hamburg); Wolfgang Heidinger (Bundesbeauftragter Malteser Fluthilfe); Ingo Pfennings (Bürgermeister Stadt Schleiden); Diplom-Psychologe Gerhard Sebastian (Foto: Malteser/IPSU)
Foto: v.l.n.r.: Frank C. Waldschmidt; Dr. Ralf Nolten; Wolfgang Heidinger; Pro. Dr. Harald Karutz; Ingo Pfennings und Dr. Sophie von Preysing (Foto: Malteser/IPSU)

Schleiden. Im Anschluss an den offiziellen Kick-off in Gemünd teilten die Malteser NRW jetzt im Rahmen einer Pressekonferenz mit, dass sie mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen eine wissenschaftliche Untersuchung initiiert haben. Hierbei soll alles, was im Schleidener Tal rund um psychosoziale Maßnahmen während und nach der Jahrhundertflut vom Juli 2021 erfolgt ist, evaluiert werden. Beauftragt wurde mit der Untersuchung die MSH Medical School Hamburg. Forschungsleiter Harald Karutz (Professor für Psychosoziales Krisenmanagement) wird sich mit Unterstützung seines wissenschaftlichen Teams insoweit ab sofort um die systematische Auswertung der im Schleidener Tal gemachten Erfahrungen kümmern. „Wir wollen vor allem herausfinden, welche Gelingensbedingungen vorhanden sein müssen, damit ein Gesamtsystem für die psychosoziale Notfallversorgung kurz- mittel- und langfristig bestmöglich funktionieren kann“ erklärt der Experte.

Mögliche Hindernisse betrachten

Auch solle natürlich darauf geschaut werden, wo es möglicherweise Hindernisse oder Hürden gegeben habe, die sich als ein Problem erwiesen und erst hätten überwunden werden müssen. Was vor Ort jedoch schon relativ früh an Strukturen im Hilfszentrum Schleidener Tal geschaffen worden sei, wäre bemerkenswert und einzigartig, zumal es Derartiges in dieser Form bislang nicht gebe, weiß Karutz sicher.

Ziele

Ziel der Studie sei es, Empfehlungen auszuarbeiten, die vielleicht auch zur Entwicklung von Standards in künftigen Gefahren- und Schadenslagen beitragen. Malteser Regional- und Landesgeschäftsführerin NRW, Dr. Sophie von Preysing, betonte darüber hinaus, dass neben den Maltesern sowohl die Verantwortlichen im Schleidener Tal als auch die Politik erkannt hätten, dass die PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung) für Betroffene und Einsatzkräfte einen zunehmend wichtigeren Stellenwert habe. So gehe es im Rahmen der Studie auch darum, die Pionierarbeit, die im Schleidener Tal von PSU-Fachberater Frank C. Waldschmidt und vielen verschiedenen weiteren Beteiligten geleistet worden sei, zu evaluieren. Die wissenschaftliche Untersuchung erfolge mit Unterstützung des NRW-Innenministeriums, wofür die Malteser sehr dankbar seien.

Malteser sprechen sich für PSNV-Platzierung in Gesetzesnovellen aus

Für die Hilfsorganisationen werden mit den Novellierungen des Rettungsgesetztes sowie des BHKG (Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz) zwei wichtige Neuerungen anstehen. “Bei beiden Gesetzen versuchen wir auch politische Forderungen hinsichtlich der PSNV zu platzieren“, sagt von Preysing. „Jetzt ist die Zeit reif, auch auf Basis der Erfahrungen aus der Flutkatastrophe und der Fluthilfe, die danach geleistet worden ist, ein ganz klares Commitment des Landes zu bekommen,“ konstatiert die Malteser-Landeschefin. Schon im Jahre 2021 war Malteser NRW PSNV-Referent, Frank C. Waldschmidt, mit Professor Dr. Harald Karutz in Kontakt gekommen. Bereits ab diesem Zeitpunkt habe man geahnt, dass die Maßnahmen im Schleidener Tal eine einmalige Möglichkeit seien, eine kurz- mittel- und langfristige Notfallversorgung zu betrachten, so PSU-Fachberater Waldschmidt.

PSNV auch konsequent in Schleiden fortgesetzt

Schleidens Bürgermeister und Mitbetreiber der IPSU (Interkommunale Psychosoziale Unterstützung), Ingo Pfennings, erklärt, dass mit psychosozialer Notfallversorgung nach der Katastrophe bereits am 20. Juli 2021 begonnen wurde. „Sechs Tage nachdem es passiert ist, waren die ersten PSNV-Kräfte, dankenswerter Weise auch von den Maltesern aus Norderstedt, damals schon hier und haben in den ersten zehn Tagen 1000 Gespräche geführt“, weiß der Schleidener Verwaltungschef. Diese seien von ganz niederschwellig, wie, „ich muss einfach mal erzählen, was passiert ist“, bis hin zu, „ich sehe keine Hoffnung mehr und möchte Suizid begehen“, gegangen. Diese Erfahrung sei der Grundstein dafür gewesen, den Weg weiterzugehen. Der Schleidener Stadtrat habe dies direkt mitgetragen, nachdem erkannt worden sei, dass alle im selben Boot saßen und professioneller Hilfe bedurften. So habe man zuerst die Beko (Beratungs- und Koordinierungsstelle) gegründet, danach hätten die Malteser die sich dann auftuende Lücke ehrenamtlich und mit dem Einsatz von Spendenmitteln besetzt. Später habe man den interkommunalen Fördertopf gewinnen können, der ja gerade dazu da sei, interkommunale Leuchtturmprojekte zu fördern, was gut zu der Einzigartigkeit des Projekts passe. (Anm. d. Red.: Mittels eines Förderbescheids des NRW-Heimatministeriums war das Traumzentrum Interkommunale Psychosoziale Unterstützung/IPSU auf der ersten Etage des Hilfszentrum Schleidener Tal realisiert worden.)

Thema auf landespolitischer Ebene nach vorne gebracht

Für das Voranbringen des Themas PSNV auf landespolitischer Ebene bedankte sich Malteser PSU-Experte Frank Waldschmidt auch bei den CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Voussem sowie dem bei der Pressekonferenz anwesenden Dr. Ralf Nolten. Letzterer erklärte, dass eine Katastrophe auch immer eine soziale Katastrophe sei und sich dann die Frage stelle, ob die Menschen entsprechende Handlungsprogramme hätten. Im Innenministerium und im Gesundheitsministerium arbeite man jetzt an den entsprechenden Gesetzen. „Wir müssen jetzt sehen, dass wir die Dinge auch miteinander verzahnen“, meint Nolten. Die Studie der Medical School Hamburg, die bis spätestens Ende 2024 angelegt ist, wird mit Sicherheit einige Erkenntnisse hervorbringen, die für die Zukunft interessant sein dürften. Prof. Dr. Karutz plant hierfür viele Dokumente, wie Protokolle und Aufzeichnungen, die im Rahmen der Krisenbewältigung zu Papier gebracht wurden, auszuwerten. Im zweiten Teil sollen dann zahlreiche Interviews mit Akteurinnen und Akteuren geführt werden, die in die psychosoziale Notfallversorgung eingebunden worden sind. Mittels Leitfadens werden sie dann danach gefragt, welche Erfahrungen sie gesammelt haben. Anonymisiert wird dann alles inhaltsanalytisch zusammengefasst.